Foto vom Stellplatz mit den Alpen im Hintergrund

Wandern durch die Alpen ja – aber Messebesuch nein?

Wer versteht mich schon, wenn sie oder er nicht gerade selbst an Fibromyalgie erkrankt ist?

Ist es für einen Außenstehenden verständlich, dass ich zwar 3 Tage durch die Alpen wandern kann, aber bei einem Tag Messebesuch in Panik ausbreche? Ist es überhaupt wichtig, dass andere mich verstehen oder genügt es, wenn es mir gut geht?

In dem Artikel „Einfach mal machen, könnte ja gut werden…“ habe ich euch bereits davon berichtet, dass wir im nächsten Jahr unser Wohnmobil verkaufen und uns ein anderes Modell kaufen möchten. Also haben wir uns vorgenommen in diesem Jahr den Caravan Salon Düsseldorf (eine große Campingmesse) zu besuchen. Die Messe findet an unserem letzten Urlaubswochenende statt und wir haben unsere aktuelle Reiseroute entsprechend geplant. Auch unsere Messetickets sind gekauft. Wir sind mit Bekannten dort verabredet.

Doch dann kamen meine Sorgen, ob das eine gute Idee war…

Ich besuche seit Jahren keine Messen oder Konzerte mehr. Die vielen Menschen, die Enge, die Lautstärke, die vielen Gerüche und die vielen Eindrücke sind einfach zu viel für mich. Nach spätestens einer Stunde weiß ich nicht mehr ein noch aus und mein Akku ist für Tage leer. Aber dieses Jahr wollte ich doch einfach mal machen?!

Ich habe in diesem Jahr schon sehr viel erreicht und bin sehr stolz darauf. Seit November letzten Jahres arbeite ich wieder Vollzeit und das bei nur wenigen Krankheitstagen. Die 3 Tage Wandern in den Alpen in diesem Urlaub haben mir viel Freude gebracht. Trotz der Hitze und des Höhenunterschiedes habe ich die Strecken gut geschafft. Mehr noch habe ich viel Freude am Wandern entwickelt und mir vorgenommen auch nach unserem Urlaub wieder mehr Bewegung in meinen Alltag zu integrieren. Und doch gehört die Fibromyalgie zu meinem Leben. Ich kann sie nicht wegzaubern und es nützt auch nichts, so zu tun, als wäre sie nicht da. Die Krankheit ist Teil meines Lebens und mein Ziel ist, so gut es geht mir ihr zu leben, statt so zu tun, als gäbe es sie nicht.

Manchmal macht es mich traurig, dass ich durch meine chronische Erkrankung eingeschränkt bin. Und doch glaube ich daran, dass alles im Leben einen Sinn hat, auch diese Krankheit. Manchmal glaube ich, dass ich mich ohne sie schon totgearbeitet und mich völlig für andere aufgegeben hätte. Vielleicht ist meine Fibromyalgie also meine Bremse, die mir hilft, zu erkennen, was mir gerade nicht guttut. Das ich gerade wichtig bin und nicht das Wohl anderer.

Doch auf die Messe hatte ich mich schon gefreut, schreit es in meinem Inneren.

Was ist jetzt also die größere Herausforderung für mich? Der Besuch der Messe oder auf mich zu achten und auf mich zu hören?

Trotz Ticketkauf und Verabredung nicht zur Messe gehen?

Als ich für mich entschieden hatte, dass ich dringend Ruhe benötige und deswegen nicht die Messe besuchen werde, kamen in mir weitere Rufe hoch: Wir haben schon die Tickets gekauft und uns auf der Messe verabredet. Was würde sein, wenn wir jetzt absagen? Sind die anderen Böse auf uns? – Vorweg: Wir haben schließlich abgesagt und ob sie böse auf uns sind, weiß ich nicht.

Was nun aber zu diesem Entschluss geführt hat, auf mich zu hören und zu schauen, was meine Kräfte zulassen, war mein Schreibkurs. In der aktuellen Lektion ging es darum, über die menschlichen Ängste nachzudenken und herauszuarbeiten, was Menschen zum Handeln bringt. Mir wurde bewusst, dass mein Bedürfnis nach Anerkennung so groß ist, dass ich nie würde frei sein. Ich versuche, im Alltag es allen recht zu machen, für alle da zu sein, und mir und anderen immer etwas zu beweisen. Was ist das mit der Messe also? Der Wunsch zu beweisen, dass ich es kann? Meine Krankheit und meine Bedürfnisse ignorieren, weil ich wieder mit dem Kopf durch die Wand will? Da wir uns kein neues Wohnmobil werden leisten können und ein gebrauchtes suchen, ist die Messe eigentlich nicht so wichtig für den Kauf im nächsten Jahr. Aber dann blieb da noch unsere Verabredung. Würden die anderen Böse sein, wenn ich absage?

Was ist wichtiger: mir etwas zu beweisen, anderen zu gefallen oder meine Bedürfnisse?

Was aber ist nun wichtiger, meine Wohlbefinden oder die Gedanken anderer? Wann würde ich endlich für mich einstehen? Und ist es nicht einfach mal legitim zu sagen, dass etwas gerade nicht geht?

Das Wandern durch die Alpen hat mir genauso viel Kraft gegeben, wie es mir genommen hat. Die Natur dort war einzigartig und diese 3 Tage waren ein Erlebnis, von dem ich noch lange zehren werde. Das, was ich dort sehen und erleben durfte, ist das, weswegen ich ein neues Wohnmobil möchte, denn von diesen Abenteuern möchte ich mehr. Die Messe wäre toll gewesen und bestimmt ein Erlebnis. Es hätte mich aber mehr Kraft gekostet, als ich aktuell habe. Uns so habe ich schweren Herzens abgesagt und die Tickets storniert. Gleichzeitig bin ich stolz, dass ich für mich und meine Bedürfnisse eingestanden bin. Das tue ich viel zu selten, immer will ich mit dem Kopf durch die Wand und immer tue ich mehr, als meine Kräfte zulassen. Ich weiß jedoch jetzt, dass ich erst wirklich frei bin, wenn es mir nicht mehr um die Anerkennung der anderen geht, sondern wenn ich für meine Bedürfnisse einstehe.

Ich nehme nun also für mich Folgendes mit:

  • Die Reisen mit dem Wohnmobil sind mein Lebenselixier. Warum das so ist, dazu werde ich nochmal einen eigenen Artikel schreiben.
  • 3 Tage Wandern in den Alpen, ist etwas anderes als einen Tag Messebesuch.
  • Leben wie ein gesunder Mensch bedeutet, dass ich meine Krankheit nicht akzeptiert habe. Und es ist quatsch, denn wie ich es drehe und wende, ich bin chronisch krank.
  • Was ich tue und was ich nicht tue, muss meinen Bedürfnissen entsprechen. Wenn meine Kraft nicht ausreicht, dann darf ich auch einfach mal Neinsagen.
  • Frei bin ich dann, wenn ich die Anerkennung durch andere nicht mehr benötige und vor allem nicht mehr über meine Bedürfnisse stelle.

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