Meine zweite Einsendeaufgabe für meinen Schreibkurs ist fertig und korrigiert. Die Aufgabe lautete einen besonderen Ort zu beschreiben, der mich sehr verzaubert. Und auch dieses Mal möchte ich meinen Text mit euch teilen. Die Korrekturen meiner Studienleiterin habe ich bereits eingearbeitet.
Die kühle Luft weht über meine Haut. Ich schließe die Augen und genieße den Windhauch, der mich umfängt. Später am Tag wird es wieder heiß und schwül werden. Wenn ich gleich ins Büro fahre, erwartet mich dort die Hitze des gestrigen Tages. Und so sitze ich da, atme und lausche dem Wald. Der Wind raschelt in den Blättern und die Vögel begrüßen den Tag. Ich tauche ab in das Konzert des Waldes. Plötzlich tosen die Gedanken in meinem Kopf wie ein Sturm. Ich denke an die vielen Aufgaben, die heute auf mich warten. Ich weiß nicht, wie ich das alles schaffen soll. Meine Brust verengt sich, mein Herz schlägt schneller, ich bekomme kaum noch Luft und kralle mich an der Bank fest. Unter mir spüre ich das Holz. Die Bank ist so rau vom Wetter und doch so standhaft. Das Gefühl beruhigt mich. Ich sitze, ich atme und ich genieße die Minuten, in denen ich einfach nur ich bin. Extra stehe ich früh auf, um vor der Arbeit mit meinem Mops zu dieser Bank zu gehen, die an der Grenze zwischen Wald und Feld steht und den Blick auf die Stadt erlaubt. Jeden Morgen wartet sie auf mich und lädt mich zum Verweilen ein. Morgens sind wir hier allein, nur mein Mops, der Wald, die Vögel, die Bank.
Jeden Morgen verbringe ich hier die letzten Augenblicke vor dem Sturm. Die entscheidenden Momente, bevor ich zur Arbeit fahre und mich den Menschen mit ihren Sorgen, Nöten und Launen stellen muss. Ich sitze hier, ich atme und ich bin einfach ich. In diesen kostbaren Minuten bin ich keine Ehefrau, Angestellte oder Servicemitarbeiterin. Ich habe keine Rolle und keine Verpflichtungen. Ich möchte am liebsten für immer hier sitzen bleiben. Hinter dem Hügel kommt die Sonne empor, kämpft sich in den Tag hinein. Ich bleibe noch etwas sitzen, bin noch nicht bereit, die Arena des Alltags zu betreten.
Wenn ich genau hinschaue, ist auch an diesem Ort die Zivilisation allgegenwärtig. Müll und Zigarettenkippen liegen um die Bank herum. Neben mir steht eine grüne Mülltonne und das brummende Geräusch der Möbelfabrik dringt in meine Ohren. Ich denke, man hätte die Bank andersherum aufstellen sollen. So, dass man nicht in die graue Stadt mit ihren Schornsteinen und ihren Baustellen schaut, sondern den Blick auf den Wald richtet, auf das Grün in all seinen Schattierungen und das Sonnenlicht, das durch das Blätterdach fällt. Der Wald hinter mir ist dunkler als das Feld. Und trotzdem scheint mir der Wald friedlicher. Die Geräusche umarmen mich und die gewaltigen Stämme der Eichen in meinem Rücken geben mir Kraft. Warum richten wir unseren Blick nur immer auf das Grau der Städte, statt auf das Grün der Wälder? Warum tauchen wir täglich in das Gewimmel der Menschen, der Autos, des Lärms und des Gestanks ein? Warum bleibe ich nicht einfach hier und lausche den Vögeln?
Wie gerne möchte ich hier noch etwas sitzen und schreiben. Und wenn ich irgendwann alle Gedanken notiert habe, möchte ich aufstehen und nach Hause gehen. Dann möchte ich mir einen Tee kochen und weiterschreiben. Doch ich stehe auf, spute mich, treibe meinen Mops an, damit er schneller läuft, denn wir haben schon viel zu viel Zeit vertrödelt. Zuhause springen wir ins Auto, fahren in die Stadt und stellen uns den täglichen Aufgaben des Alltags, der Kunden und des Lebens. Das ewig klingelnde Telefon hat das Vogelgezwitscher längst abgelöst und ich freue mich schon jetzt, dass ich morgen wieder meine Bank besuchen werde.
Diese Bank und diesen magischen Ort gibt es tatsächlich und jeden Morgen vor der Arbeit gehe ich dorthin und tanke Kraft für den Tag. Hast du auch so einen magischen Ort? Berichte mir gerne in den Kommentaren. Ich freue mich auf deine Nachricht.
Wenn du auch meine erste Einsendeaufgabe lesen möchtest, findest du sie hier: https://zeitreisenzauber.de/2023/05/26/warum-ich-schreiben-lernen-will/
Meinen Schreibkurs mache ich hier: https://www.schule-des-schreibens.de/ (unbezahlte Werbung aus Überzeugung)
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